Himmelreich und Reich Gottes: zwei verschiedene Dinge?
Manche Dispensationalisten meinen, die Begriffe „Reich der Himmel“ (so die Elberfelder Bibel)[1] bzw. „Himmelreich“ (so Luther und Schlachter) und „Reich Gottes“ würden verschiedene Dinge bezeichnen und müßten sorgfältig auseinandergehalten werden.[2] Hierauf baut man dann eine ganze Theologie auf, um das vermeintlich in die Heilsgeschichte eingeschobene Zeitalter der Gemeinde vom Tausendjährigen Reich bzw. der Ewigkeit zu unterscheiden.[3] Manche behaupten gar, wir hätten als Christen mit dem Reich Gottes überhaupt nichts zu tun (darauf, zu welchen nicht unerheblichen Konsequenzen diese Lehre führt, werden wir am Schluß kurz zurückkommen). Ob dem jedoch wirklich so ist, kann man relativ einfach durch einen Vergleich der jeweiligen Parallelstellen herausfinden. Lassen wir diese für sich selbst sprechen:[4]
Matthäus |
Markus |
Lukas |
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4,17 Von da an begann Jesus zu predigen: Tut Buße; denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen! |
1,14 Nachdem aber Johannes verhaftet worden war, kam Jesus nach Galiläa und predigte das Evangelium vom Reich Gottes: 15 Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe. Tut Buße und glaubt an das Evangelium! |
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5,3 Selig sind die geistlich Armen; denn ihrer ist das Himmelreich! |
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6,20 Und er hob seine Augen auf über seine Jünger und sprach: Selig seid ihr Armen; denn das Reich Gottes ist euer! |
8,11 Ich sage euch aber: Viele werden kommen von Osten und Westen und werden mit Abraham, Isaak und Jakob zu Tisch sitzen im Himmelreich; 12 aber die Kinder des Reiches werden in die äußerste Finsternis hinausgeworfen werden; dort wird Heulen und Zähneknirschen sein. |
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13,28 Da wird das Heulen und das Zähneknirschen sein, wenn ihr Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes sehen werdet, euch selbst aber hinausgestoßen! 29 Und sie werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, und zu Tisch sitzen im Reich Gottes. |
10,7 Geht aber hin und predigt: Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen! 8 Heilt Kranke ... |
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10,9 und heilt die Kranken, die dort sind, und sagt zu ihnen: Das Reich Gottes ist nahe zu euch gekommen! |
11,11 Wahrlich, ich sage euch: Unter denen, die von einer Frau geboren sind, ist kein Größerer aufgetreten als Johannes der Täufer. Doch der Kleinste im Himmelreich ist größer als er. |
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7,28 Denn ich sage euch: Unter denen, die von Frauen geboren sind, ist keiner größer als Johannes. Doch der Kleinste im Reich Gottes ist größer als er. |
13,10 Da traten die Jünger herzu und sprachen zu ihm: Warum redest du in Gleichnissen mit ihnen? 11 Er aber antwortete: Weil es euch gegeben ist, die Geheimnisse des Himmelreichs zu verstehen; jenen aber ist’s nicht gegeben. |
4,11 Und er sprach zu ihnen: Euch ist gegeben, das Geheimnis des Reiches Gottes zu erkennen; denen aber, die draußen sind, wird alles in Gleichnissen zuteil ... |
8,10 Er aber sprach: Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu erkennen, ‹zu› den andern aber ‹rede ich› in Gleichnissen, damit sie sehen und doch nicht sehen, und hören und doch nicht verstehen. |
13,24 Ein anderes Gleichnis legte er ihnen vor und sprach: Das Himmelreich gleicht einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte. |
4,26 Und er sprach: Mit dem Reich Gottes ist es so, als ob ein Mensch den Samen auf die Erde wirft ... |
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13,31 Ein anderes Gleichnis legte er ihnen vor und sprach: Das Himmelreich gleicht einem Senfkorn, welches ein Mensch nahm und auf seinen Acker säte. |
4,30 Und er sprach: Womit wollen wir das Reich Gottes vergleichen, oder mit welchem Gleichnis wollen wir es darstellen? 31 Es gleicht einem Senfkorn ... |
13,18 Da sprach er: Welcher Sache gleicht das Reich Gottes, und womit soll ich es vergleichen? 19 Es gleicht einem Senfkorn, welches ein Mensch nahm und in seinen Garten warf ... |
13,33 Ein anderes Gleichnis sagte er ihnen: Das Himmelreich gleicht einem Sauerteig, den eine Frau nahm und unter drei Scheffel Mehl mengte, bis es ganz durchsäuert war. |
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13,20 Und wiederum sprach er: Womit soll ich das Reich Gottes vergleichen? 21 Es gleicht einem Sauerteig, den eine Frau nahm und unter drei Scheffel Mehl mengte ... |
19,14 Aber Jesus sprach zu ihnen: Laßt die Kindlein und verwehrt ihnen nicht, zu mir zu kommen; denn solcher ist das Himmelreich! |
10,14 Da Jesus das sah, wurde er ungehalten und sprach zu ihnen: Laßt die Kindlein zu mir kommen, verwehrt es ihnen nicht; denn solcher ist das Reich Gottes! |
18,16 Aber Jesus rief sie zu sich und sprach: Laßt die Kinder zu mir kommen und verwehrt es ihnen nicht; denn für solche ist das Reich Gottes. |
19,23 Da sprach Jesus zu seinen Jüngern: Wahrlich, ich sage euch: Ein Reicher hat’s schwer, in das Himmelreich einzugehen! 24 Und wiederum sage ich euch: Ein Kamel kann leichter durch ein Nadelöhr gehen als ein Reicher in das Reich Gottes! |
10,23 Da blickte Jesus umher und sprach zu seinen Jüngern: Wie schwer werden die Reichen in das Reich Gottes eingehen! ... 25 Es ist leichter, daß ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als daß ein Reicher in das Reich Gottes komme. |
18,24 Als aber Jesus ihn so sah, sprach er: Wie schwer werden die Reichen ins Reich Gottes eingehen! 25 Denn es ist leichter, daß ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als daß ein Reicher in das Reich Gottes komme. |
Matthäus verwendet das Wort „Himmelreich“ (buchstäblich: „Königreich der Himmel“) vollkommen gleichbedeutend wie Markus und Lukas den Ausdruck „Reich Gottes“. Es ist daher falsch, eine Lehre auf einem vermeintlichen Bedeutungsunterschied zwischen beiden Begriffen aufzubauen. Matthäus bevorzugt „Himmelreich“ schlicht deshalb, weil er sein Evangelium bekanntermaßen ursprünglich an religiöse Juden gerichtet hat, die sich scheuen, den Namen Gottes oder auch nur das Wort „Gott“ auszusprechen und dies mit „Himmel“ umschreiben.
„In das Reich Gottes eingehen“ wird im NT gleichbedeutend mit „ewiges Leben empfangen“ gebraucht (z. B. Mt 19,16.23-26 (par. Mk 10,17.23-27; Lk 18,18.24-27): „das ewige Leben erben / bekommen“ = „ins Reich Gottes / Himmelreich eingehen“ = „gerettet werden“. Laut Joh 3 bedeutet „von neuem / aus dem Geist geboren werden“ = „an den Sohn Gottes glauben“; die Folge davon ist „das Reich Gottes sehen“ = „in das Reich Gottes hineingehen“ = „ewiges Leben haben“ = „errettet werden“.
Wer behauptet, wir hätten als Christen mit dem Reich Gottes nichts zu tun, müßte folglich auch leugnen, daß wir das ewige Leben haben. Diese Lehre ist somit ein schwerer Irrtum mit erheblichen Konsequenzen, die ihre Vertreter entweder nicht erkennen oder sich zu ziehen weigern.
1 Das hebräische Wort für „Himmel“ steht (anders als im Griechischen und im Deutschen) immer in der Mehrzahl, was Matthäus wörtlich übernahm, obwohl er auf griechisch schrieb (die Elberfelder Bibel übersetzt ebenso wörtlich). Dies ist jedoch mit keiner besonderen Bedeutung verbunden.
2 So z. B. Walter Scott, Kommende Herrlichkeiten (Neustadt/Weinstr.: Ernst-Paulus-Verlag, 1987), S. 22-23.
3 Hintergrund ist die Hauptthese des Dispensationalismus, daß Israel und die Gemeinde strikt voneinander zu trennen seien. Ohne diese Trennung fällt die dispensationalistische Heilszeiten- und Endzeitkonstruktion wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
4 Bibelzitate nach der revidierten Schlachter-Übersetzung von 1951, z. T. an das heutige Deutsch angepaßt.