Verfälschter Urtext?

Eine Stellungnahme zur neueren Diskussion um den Textus Receptus

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Einführung

Nachdem es in den USA schon geraume Zeit eine Auseinandersetzung über die Frage gibt, ob der Urtext des Neuen Testaments durch den sog. Textus Receptus (nachfolgend TR abgekürzt) oder durch moderne wissenschaftliche Ausgaben wie etwa den Nestle-Aland (NA)[1] besser wiedergeben wird, hat dieser Streit seit einigen Jahren auch im deutschsprachigen Raum Fuß gefaßt. Nicht selten behaupten dabei Anhänger des TR, dieser sei mit dem Urtext identisch, die neueren textkritischen Ausgaben hingegen (bzw. die alexandrinischen Bibelhandschriften) seien das Werk von Irrlehrern bzw. Ungläubigen, die wichtige Lehren aus der Bibel entfernt und diese so verfälscht hätten.

Das sind schwere Vorwürfe, die zahlreiche Gläubige verunsichern. Können wir noch darauf vertrauen, daß unsere Bibeln das Wort Gottes zuverlässig wiedergeben? Kein wahrer Christ kann diese Frage auf die leichte Schulter nehmen.[2] Darum soll denjenigen, die der biblischen Sprachen nicht kundig sind, mit folgender Gegenüberstellung eine Handreichung geboten werden.[3] Vorab sei noch folgendes angemerkt:

  1. Wenn auch in diesem Zusammenhang kritische Fragen gestellt werden müssen, dann nicht, um Glaubensbrüder anzugreifen,[4] sondern weil zahlreiche falsche Vorstellungen über TR, NA und Textkritik in Umlauf sind, die manche derart vehement vertreten, daß sie dadurch Spaltungen unter Christen verursachen. Es ist die Sorge um das Wohl der Gemeinde Christi, die den Verfasser zu dieser Stellungnahme genötigt hat. Allein eine sachkundige und vor allem sachliche Klärung der Frage nach dem Urtext des NT kann hier weiterhelfen.

  2. In einer kurzen Gegenüberstellung der Hauptargumente, als welche die vorliegende Schrift gedacht ist, kann leider nicht alles so ausführlich dargestellt werden, wie es manchmal behandelt werden müßte. Wer weitergehende Informationen wünscht, dem sei folgendes Buch empfohlen: Martin Heide, Der einzig wahre Bibeltext? Erasmus von Rotterdam und die Frage nach dem Urtext. 5., verbesserte und erweiterte Auflage (Nürnberg: VTR, 2006).[5]

  3. Als Hyperlink markierte Abkürzungen und Fachbegriffe werden im Anhang erklärt.


Enger/Westf., im Januar 2009

der Verfasser



1. Hauptargumente[6]

1.1 Grundsätzliches zur Qualität von TR und NA

Behauptung

Entgegnung

Der Textus Receptus ist der von Gott bewahrte Text. Er ist eine getreue Wiedergabe des inspirierten Originaltextes.

  1. Wäre der TR der Urtext, dann müßte es zahlreiche alte Hss von ihm geben. Doch die ältesten bekannten Hss sind alle eindeutig vom alexandrinischen Texttyp, der dem NA zugrundeliegt.

  2. Erst 1516 schuf Erasmus von Rotterdam in nur fünf Monaten (überhastet und nicht mit der nötigen Sorgfalt, wie er selbst offen zugab)[7] mit seinem Griechischen NT die Grundlage des TR.[8]

  3. Dieser Ausgabe des Erasmus lagen nur wenige späte Hss des griechischen Mehrheitstextes (MT) zugrunde, die außerdem z.T. nur von minderer Qualität waren (Erasmus selbst hat Korrekturen an den Hss vorgenommen, die heute noch zu sehen sind).

  4. Da ihm nur eine einzige griechische Hs der Offenbarung vorlag, welcher der Schluß fehlte, übersetzte Erasmus diesen aus dem Lateinischen zurück ins Griechische. Auch ergänzte er den griechischen Text von Apg 9,5f und (ab der 3. Auflage) 1Jo 5,7f durch die erweiterte lateinische Fassung, die damals als maßgeblich angesehen wurde. Erasmus schuf so Lesarten, die es in keiner einzigen griechischen Hs gibt.

  5. „Den“ TR als solchen gibt es nicht, sondern verschiedene Ausgaben des TR, die in manchen Einzelheiten voneinander abweichen. Welche davon ist nun der „wahre Urtext“?

Der TR überliefert die reine Lehre des Evangeliums, während der NA Irrlehren unterstützt.

  1. Das Evangelium wird sowohl von MT, TR als auch NA zuverlässig und unverfälscht überliefert. Die Unterschiede zwischen TR und NA sind minimal und betragen nur ca. zwei Prozent des Gesamttextbestandes.

  2. Grundsätzlich wird keine einzige christliche Lehre durch unterschiedliche Lesarten in Frage gestellt.

  3. Die von Befürwortern des TR angeführten Beispiele beruhen zumeist auf einem falschen bzw. einseitigen Verständnis der betreffenden Bibelstellen.[9]

  4. In (äußerst seltenen!) Einzelfällen ist es sogar genau umgekehrt, daß der MT/TR lehrmäßig falsche Lesarten bietet.[10]



1.2 Moderne textkritische Ausgaben: eine vorsätzliche Verfälschung der Bibel durch Irrlehrer?

Behauptung

Entgegnung

Die Vertreter der modernen textkritischen Ausgaben des griechischen NT waren bzw. sind Irrlehrer oder zumindest irregeführt, die des TR hingegen rechtgläubig.

  1. Rechtgläubigkeit ist doch keine Garantie dafür, daß die Meinung einer Person immer richtig ist. Gläubige können sich irren, wie auch Ungläubige etwas richtig erkennen können (1Kor 2,14 wird in diesem Zusammenhang von TR-Anhängern gerne überstrapaziert!).

  1. Rechtgläubige wie auch Irrlehrer finden sich sowohl unter Befürwortern des MT bzw. TR als auch unter Befürwortern eines anhand der ältesten Hss revidierten Textes[11] (in den USA sind übrigens viele Textforscher gläubige evangelikale Christen).

  2. Erasmus war kein evangelischer Christ, sondern bis zuletzt überzeugter Katholik.[12] Trotzdem akzeptieren TR-Anhänger seinen Text.

  3. Den Juden sind „die Aussprüche Gottes anvertraut“ (Röm 3,2). Obwohl die meisten von ihnen bisher leider nicht an Jesus als Messias glauben, haben sie dennoch das AT genau und zuverlässig überliefert.[13] Ungläubige können also durchaus richtige textkritische Entscheidungen treffen!

Textkritik ist Bibelkritik bzw. zeigt eine geistliche Wesensverwandtschaft zur Bibelkritik auf.

  1. Textkritik ist keine Bibelkritik, sondern versucht dort, wo unterschiedliche Lesarten vorliegen, den Urtext durch Vergleich der Hss zu ermitteln.

  2. Für bibeltreue Christen, die an die Inspiration und Unfehlbarkeit der Bibel glauben, ist Textkritik deshalb sogar von größter Wichtigkeit, um den ursprünglichen Wortlaut der Bibel zu bewahren bzw. zu rekonstruieren.

  3. Textkritik haben auch die Herausgeber von TR-Bibeln betrieben: Aus den abweichenden Lesarten der verschiedenen TR-Ausgaben haben sie die ihrer Meinung nach richtigen ausgewählt.

Die Textkritik behandelt die Mehrheit der griechischen Handschriften unfair, da sie diese in der Regel unberücksichtigt läßt.

Der MT wird in der Textkritik nicht ignoriert, sondern meist wie ein einziger Zeuge behandelt, gerade weil die Übereinstimmung aufgrund der gemeinsamen Abstammung der Hss so groß ist.[14]

Aland selbst gibt zu, daß die Lehre von der Inspiration der Schrift den TR voraussetzt.

Seltsam: Da Aland kein Evangelikaler war, wird sein Text abgelehnt – aber seine angebliche Ansicht zur Inspirationslehre (die von den Anhängern des TR übrigens nur sehr verkürzt dargestellt wird)[15] zieht man als „Beweis“ heran!

Westcott und Hort[16] waren Spiritisten.

Diese Behauptung ist nachweislich falsch.[17] Vielmehr verteidigte Westcott die leibliche Auferstehung Jesu[18] und seine Gottheit[19], was mit dem Spiritismus unvereinbar ist.



1.3 Zur Zuverlässigkeit der Textgrundlage von TR und NA

Behauptung

Entgegnung

Einige wenige Handschriften[20] können unmöglich die überwiegende Mehrheit korrigieren.

  1. Hat die Mehrheit immer recht? Wird etwa ein Fehler richtig, wenn er tausendfach kopiert wird? Würde das reine Mehrheitsprinzip stimmen, müßten wir die lateinische Vulgata den griechischen Textzeugen vorziehen, denn sie ist in ca. 8000 Hss überliefert, während uns „nur“ ca. 5300 griechische Hss vorliegen.

  2. Nicht die Menge der Hss allein ist ausschlaggebend, sondern ihre Qualität. Diese muß durch sorgfältiges Vergleichen und Abwägen ermittelt werden, nicht durch bloßes Zählen.

  3. Auch der TR weicht an einigen Stellen vom MT ab; dennoch soll dann nicht der MT, sondern der TR den Urtext richtig wiedergeben. – Eine seltsame Inkonsequenz!

Die alexandrinischen Lesarten waren Erasmus und den Reformatoren bekannt, doch sie verwarfen diese als minderwertig.

  1. Es ist richtig, daß Erasmus von einem Bekannten, der Zugang zum vatikanischen Archiv hatte, über vom MT abweichende Lesarten des Codex Vaticanus informiert wurde, diese aber nicht berücksichtigte.[21] Dennoch ist das kein Argument dafür, daß der TR hier richtig ist. Manche TR-Anhänger scheinen wohl von Erasmus zu glauben, er sei unfehlbar gewesen.

  2. Außer dem Codex Vaticanus (der übrigens bis 1857 der Allgemeinheit nicht zugänglich war) lagen damals im westlichen Europa keine alexandrinischen Hss vor. Sie wurden meist erst später, vor allem im 19. Jahrhundert wiederentdeckt.[22] Es ist daher verständlich, daß Erasmus Lesarten des Vaticanus nicht übernahm, wenn sie von allen anderen damals bekannten Hss abwichen.

  3. Erasmus stellte auch schlecht bezeugte Lesarten des MT bzw. der Vulgata in Frage (z.B. Joh 7,53-8,11; Apg 9,5f; 1Jo 5,7f); dennoch übernahm er diese in seinen Text.

Die alexandrinischen Handschriften lassen viele von 90% der Handschriften bezeugten Worte der Heiligen Schrift aus, ersetzen andere durch dunkle und schwer verständliche Wendungen, enthalten zahlreiche Widersprüche und grammatikalische Fehler.

  1. Hier wird als Tatsache behauptet, was erst zu beweisen wäre: Wenn der TR bzw. der MT nämlich nicht der Urtext ist, können die alexandrinischen Hss auch nichts von ihm auslassen oder ersetzen.

  2. Daß manches in der Schrift schwer verständlich ist, bescheinigt bereits 2Pet 3,15f.

  3. Die meisten angeblichen „Widersprüche“ erklären sich bei genauer Untersuchung als Mißverständnisse seitens des Lesers.

  4. Fehler kommen in jeder Hs vor (auch im MT!), was sich einfach aus der Natur der Sache erklärt, da das Abschreiben von Hand ermüdend ist.

  5. Viele angebliche grammatikalische Fehler sind Eigenheiten der im NT verwendeten Koiné, der Sprache des einfachen Volkes – und nicht der Philosophen und Gelehrten. (Wenn es Gott gefallen hat, das von der Welt Verachtete zu erwählen, warum wird dann lupenreines klassisches Griechisch verlangt?)

  6. Es ist genau umgekehrt: gerade der spätere MT paßt das scheinbar „falsche“ Griechisch der älteren Hss dem klassischen Griechisch an.

Die alexandrinischen Textzeugen stammen aus Ägypten. Ägypten aber war das Zentrum gnostischer Irrlehren, was sich auf diese Handschriften niederschlug.

Es ist wohl wahr, daß es in Ägypten Anhänger der Gnosis gab; doch es ist nicht so,

  1. daß es in Ägypten nur Irrlehrer gegeben hätte (Athanasius, der Verteidiger der Dreieinigkeitslehre, war im 4. Jh. Bischof von Alexandria; aus derselben Zeit und Gegend stammen die Codices Vaticanus und Sinaiticus);[23]

  2. daß Häretiker und ihre Schriften in Ägypten die Mehrheit gestellt hätten (die Papyrusfunde beweisen vielmehr das Gegenteil; auch die Schrift des Irenäus v. Lyon „Gegen die Irrlehrer“ gelangte noch zu dessen Lebzeiten dorthin);[24]

  3. daß die Gnostiker die neutestamentlichen Hss verfälscht hätten. Man warf ihnen nicht vor, den Wortlaut der Schrift zu verfälschen, sondern sie falsch auszulegen![25]

Übrigens: Irrlehrer gab und gibt es auf der ganzen Welt – auch in Byzanz, woher der MT stammt. Würde diese Logik stimmen, dann könnten wir keiner einzigen Bibelhandschrift mehr trauen.

Auch wenn die griechisch-orthodoxe Kirche einen ganz ähnlichen geistlichen Niedergang und Abfall vom wahren Glauben durchmachte wie die katholische Kirche des Westens, wurde sie doch durch Gottes Vorsehung und Wirken zur Hüterin des ursprünglichen Textes [...].

Das ist doch seltsam: Die alexandrinischen Hss sind also zwangsläufig korrupt, weil sie aus einer Gegend stammen, in der angeblich Irrlehrer dominierten (was gar nicht zutrifft, wie gerade gezeigt wurde); die griechisch-orthodoxe Kirche hingegen ist trotz ihrer Irrlehren die „Hüterin des ursprünglichen Textes“? Aus welchem objektiv nachvollziehbaren Grund soll es nur so und nicht anders sein?

Der MT kommt aus der Gegend, wo die ursprünglichen Empfänger der neutestamentlichen Briefe zuhause waren (Kleinasien und Syrien). Er steht deshalb den Originalen am nächsten, da die Abschriften problemlos mit diesen verglichen werden konnten.

Diese Behauptung läßt völlig außer acht, daß gerade in dieser Gegend die schwersten Christenverfolgungen stattfanden. Hierdurch wurden neben den Originalen auch zahlreiche Abschriften vernichtet. Zudem sind die ältesten Hss durchwegs alexandrinisch. – Tatsache ist: Es gibt keine Handschriften des MT aus der Zeit vor dem 4. Jahrhundert!

Die Funde alter Papyrushandschriften zeigen ebenso wie alte Kirchenväter-Zitate und Übersetzungen, daß die MT-Überlieferung schon vor dem 4. Jahrhundert existiert haben muß.

  1. Die frühen Papyri und Übersetzungen weisen nur vereinzelt Lesarten auf, die sich im MT bzw. TR wiederfinden, sonst sind sie alexandrinisch.[26] Der MT hingegen neigt allgemein dazu, den Text vorsichtig zu glätten und die bis dahin bekannten Lesarten zu einer einzigen zu kombinieren.

  2. Die Kirchenväter zitierten in ihren Kommentaren erst den Bibeltext und legten ihn dann aus. Spätere Abschreiber pflegten die Schriftzitate „nach denen bei ihnen selbst in Gebrauch stehenden Hss – und nicht nach der Vorlage – wiederzugeben ... die vom betr. Kirchenvater benutzte Textform ... kann nur aus dem anschließenden Kommentar mühsam im Wortlaut herausdestilliert werden.“[27] Ob die angeblichen Zitate des MT also auf die Kirchenväter selbst oder auf spätere Abschreiber zurückgehen, bedarf jeweils einer sorgfältigen Untersuchung. Dabei ergibt sich, daß die frühen Kirchenväter einen alexandrinischen Text hatten.

Daß es keine Handschriften des MT vor dem 4. Jahrhundert gibt, liegt am feuchtwarmen Mittelmeerklima, in dem Handschriften nur eine Lebensdauer von normalerweise 150-200 Jahren haben. Die alexandrinischen Handschriften hingegen blieben im trocken-heißen Wüstenklima Ägyptens erhalten.

Es ist zwar richtig, daß das Wüstenklima Ägyptens besonders zur Erhaltung der ältesten uns bekannten Bibelhandschriften bzw. -Fragmente beigetragen hat; doch ist es allgemein im Mittelmeerraum nicht feucht-warm, sondern überwiegend trocken. Noch heute lagern viele sehr alte Hss in Griechenland und Italien.[28] Die ältesten uns erhaltenen Hss des MT (der Codex Alexandrinus und der Codex Ephraëmi Rescriptus jeweils in den Evangelien, 5. Jh.), sind dabei nur rund 100 Jahre jünger als der Codex Sinaiticus und der Codex Vaticanus.



2. Sind vom Textus Receptus abweichende Lesarten häretisch motiviert?

Zur Stützung dieser These führen die Verfechter des TR viele Bibelstellen als „Beweis“ an. Wie stichhaltig das ist, wollen wir im folgenden Abschnitt untersuchen.

2.1 Änderungen, die das biblische Zeugnis von Jesus Christus beeinträchtigen?

2.1.1 Die Gottessohnschaft Jesu

Behauptung

Entgegnung

Mk 1,1 setzt NA bei der TR-Aussage „Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes“ „dem Sohn Gottes“ als möglicherweise unecht in Klammern (NA 25 ließ es sogar weg) – auf der Grundlage des Sinaiticus und einer weiteren Majuskel-Handschrift [...].

Wenn NA einfache eckige Klammern setzt, so kennzeichnet dies keine „möglicherweise unechten“ Worte, sondern einen Text, der nach Meinung der Herausgeber zum Original gehört, dessen Bezeugung aber nicht ganz sicher ist. Die Herausgeber des NA sind also durchaus der Auffassung, daß die Worte „des Sohnes Gottes“ zum Text von Mk 1,1 gehören!

Diese Weglassung in einigen Hss ist offensichtlich nicht Absicht, sondern ein Fehler: sechs (!) aufeinander folgende Worte enden gleich: Archê t euangelí Ïês Christ hyi The. So kann das Auge des Abschreibers leicht die letzten beiden Worte (ungewollt!) übersehen haben. Hätten hingegen Irrlehrer versucht, das Zeugnis der Gottessohnschaft Jesu im Mk-Ev. zu tilgen, dann hätten sie dies bei Mk 3,11; 5,7; 15,39 vergessen!

Apg 8,37 läßt NA den ganzen im TR überlieferten Vers aus: „Da sprach Philippus: Wenn du von ganzem Herzen glaubst, so ist es erlaubt! Er antwortete und sprach: Ich glaube, daß Jesus Christus der Sohn Gottes ist!“ Das ist eines der wichtigsten Zeugnisse des biblischen Glaubens an den Sohn Gottes und stellt den Irrglauben der Gnostiker als unbiblisch bloß.

Dieser Vers wird nicht nur von den alexandrinischen Hss, sondern auch vom Mehrheitstext nicht bezeugt, was sogar im Anhang der Schlachter Version 2000 erwähnt wird. Er gehört also mit Sicherheit nicht zum Originaltext der Apostelgeschichte.[29]

Nebenbei bemerkt: Im Zusammenhang von Apg 8 geht es überhaupt nicht um die Gnostiker oder deren Leugnung der Gottessohnschaft Jesu. Dies wird wieder einmal mit Gewalt in den Text hineingelesen.

1Tim 3,16 macht NA aus dem überlieferten „Gott geoffenbart im Fleisch“ die verschwommene Formel „Er geoffenbart im Fleisch“. Die textkritische Fassung [...] läßt die Möglichkeit offen, daß in Christus ein Engel oder anderes geschöpfliches Geistwesen geoffenbart wurde – ganz im Sinne der Gnosis u. a. Irrlehren.

Das Zeugnis der Hss spricht für sich: Alle frühen Hss (auch die byzantinischen!) lesen „welcher im Fleisch geoffenbart ist“; erst spätere Korrektoren machen daraus „Gott geoffenbart im Fleisch“.

Sollten etwa alle frühen Hss verkehrt liegen, während alle späteren richtig sind?

Diese Textänderung läßt sich leicht erklären, wenn man beachtet, daß sog. „nomina sacra“, d. h. „heilige Namen“ wie „Gott“, „Christus“ oder „Jesus“, in den Hss abgekürzt und durch einen darübergesetzten waagerechten Strich oder Bogen gekennzeichnet wurden.[30] Aus einem Omikron (O) konnte man so leicht ein Theta (Θ) machen, so daß hos („welcher“) zu theos („Gott“) wurde – und das recht einfach durch Hinzufügung zweier Striche:

Daß sich das Relativpronomen „welcher“ allein auf Gott beziehen kann, wird übrigens aus dem Zusammenhang sehr deutlich: V.15 spricht vom „Geheimnis der Gottesfurcht“. Der Vorwurf, die Gottheit Jesu werde hier wegrevidiert, läßt daher den Textzusammenhang völlig außer acht.

Joh 1,18 lautet im TR: „Niemand hat Gott je gesehen; der eingeborene Sohn [gr. monogenès huios], der im Schoß des Vaters ist, der hat Aufschluß [über ihn] gegeben.“ Daraus macht NA: „... der [od. ein; der Artikel fehlt] eingeborene Gott [gr. monogenès theos], der im Schoß des Vaters ist...“ Diese von der biblischen Lehre wie vom Textzusammenhang (Sohn – Schoß des Vaters) her unsinnige und unbiblische Lesart wird von den Textkritikern als echt erklärt [...]. Diese offenkundige Verfälschung [...] geht auf Irrlehrer zurück [...]. Arius selbst beruft sich auf diese Lesart in seinen Lehren [...]. Einige moderne Bibeln (ÖkEinh, Lu 84, GN) haben diesen gnostischen Text übernommen, wobei sie ihn beschönigend übersetzen mußten [...].

Abgesehen davon, daß das Wort „eingeboren“ heute höchst mißverständlich wirkt, ist die von NA bevorzugte Lesart aller (!) ältesten Hss keineswegs „unsinnig und unbiblisch“ oder eine „gnostisch gefärbte Lesart“, sondern ein klares Zeugnis dafür, daß der Herr Jesus der wahre Gott ist!

Daß das Wort „eingeboren“ durch „einzig“ ersetzt wird, ist keine Abschwächung der biblischen Lehre der Fleischwerdung Christi, sondern sachlich vollkommen berechtigt; „monogenes“ bedeutet nämlich nicht „eingeboren“, sondern „einzig“, „einzigartig“[31] (der Ausdruck „eingeboren“ geht auf einen Fehler der Vulgata zurück). Einheitsübersetzung, Lutherbibel 1984 und Gute-Nachricht-Bibel übersetzen hier also mitnichten „beschönigend“, sondern richtig.

Außerdem: Allein daß Arius sich auf diese Lesart berief, beweist doch nicht, daß sie falsch ist; vielmehr spricht dies für ihre Ursprünglichkeit, denn die Gegner des Arius warfen ihm (zu Recht!) vor, die Schrift falsch auszulegen, nicht aber daß er sie verfälsche.

In Lk 24,52 ließ NA 25 einzig auf das „Zeugnis“ einer einzigen Handschrift hin (Codex D) die Aussage aus: „und sie beteten ihn an“.

Auch diese Worte sind bereits seit dem NA26 (1979) als zweifellos ursprünglich wieder im Text enthalten. Ihre Auslassung bis zum NA25 basierte auf der Theorie Westcotts und Horts der sog. „Western Non-Interpolations“, die längst als Irrtum erkannt und verworfen wurde.[32] Warum also über Schnee von gestern aufregen?



Behauptung

Entgegnung

Joh 6,69 lautet im TR: „und wir haben geglaubt und erkannt, daß du der Christus bist, der Sohn des lebendigen Gottes!“ Diese wichtige Zeugnis der Gottessohnschaft Jesu Christi, das sich offenkundig auf das zuvor geäußerte Bekenntnis des Petrus in Mt 16,16; Mk 8,29; Lk 9,20 bezieht, wird im NA ersetzt durch „daß du der Heilige Gottes bist“ – eine Aussage, die sich mit allen Irrlehren der Gnosis und des Arianismus verträgt.

RE weist ja selbst auf die Quelle der TR-Lesart hin: Mt 16,16![33]

„Der Heilige Gottes“ war ebenfalls einer der Titel des Messias (vgl. Mk 1,24; Lk 4,34).

Davon abgesehen stehen die betreffenden Stellen jeweils in einem anderen Zusammenhang: Joh 6,69 handelt in Kapernaum unmittelbar nach der Speisung der 5000, während die in Mt 16,16 berichteten Worte bei Cäsarea Philippi gesagt wurden, kurz nach der Speisung der 4000, die einige Zeit später stattfand (vgl. Mt 15 und Mk 8).

In Joh 7,8 ersetzt NA das „ich gehe noch nicht zu diesem Fest hinauf“ durch „Ich gehe nicht zu diesem Fest hinauf“, was entweder den Herrn Seiner Allwissenheit beraubt oder Ihn zum Lügner macht.

Es gibt im Griechischen verschieden starke Abstufungen einer Verneinung; hier liegt durchaus nicht deren stärkste Form vor. Doch auch wer kein Griechisch beherrscht, kann allein schon aus dem Zusammenhang klar erkennen, daß diese Verneinung nicht absolut, sondern relativ gemeint ist: „Ich gehe nicht zu diesem Fest hinauf, denn meine Zeit ist noch nicht gekommen“. Als dann die Zeit Jesu gekommen ist, geht er nach Jerusalem.[34]

Joh 9,35 ersetzt NA die Frage des Herrn Jesus an den Sehendgewordenen: „Glaubst du an den Sohn Gottes?“ durch die Frage: „Glaubst du an den Sohn des Menschen?“ Das ist eine Abwertung des Zeugnisses von der Gottessohnschaft Jesu Christi und paßt auch gar nicht in den Zusammenhang des Abschnitts und des Johannesevangeliums als Ganzes.

„Menschensohn“ ist ebenfalls ein Titel des Messias (abgeleitet von Dan 7,13f)! Warum sollte er dann „eine Abwertung des Zeugnisses von der Gottessohnschaft Jesu Christi“ sein?[35] An zehn weiteren Stellen des Joh.-Ev. (1,51; 3,13; 3,14; 6,27; 6,53; 6,62; 8,28; 12,23; 12,34; 13,31) steht – auch im TR! – dieser angeblich unpassende Ausdruck. Fast genauso oft, nämlich neunmal, kommt im Joh.-Ev. „Sohn Gottes“ vor (1,34.49; 3,18; 5,25; 10,36; 11,4.27; 19,7; 20,31). Warum haben angebliche Bibelfälscher nicht auch diese Stellen ausgemerzt?

In 1Kor 12,3 schmuggeln die alexandrinischen Schreiber eine unsägliche Verderbnis in die Heilige Schrift hinein, eine Veränderung von wahrhaft diabolischer Raffinesse, die die Leser textkritischer Bibeln dazu zwingt, beim lauten Lesen ungewollt einen in wörtlicher Rede zitierten Fluch über ihren Herrn auszusprechen. Die vom Heiligen Geist inspirierte Urfassung dagegen schreibt in der indirekten Rede (und so haben es fast alle HSS): „daß niemand, der im Geist Gottes redet, Jesus verflucht nennt.“ [...]. Leider wurde diese Perversion von vielen modernen Bibeln übernommen [...].

Was vom TR abweicht, ist also automatisch eine „unsägliche Verderbnis“ der Heiligen Schrift, denn der TR gebe die „vom Heiligen Geist inspirierte Urfassung“ wieder. Erneut wird einfach als Tatsache behauptet, was erst zu beweisen wäre.

Es sind immerhin zwei völlig verschiedene Paar Schuhe, ob man zu Lehrzwecken eine Gotteslästerung lediglich zitiert (und sei es in direkter Rede), oder ob man sie zu seiner eigenen Aussage macht!

Nach obiger Logik kann das direkte Zitat einer Lästerung also nicht inspiriert sein. Dann aber müßte man ganze Verse aus der Bibel streichen oder durch indirekte Rede „verbessern“, z.B. in 1.Mose 3, wo die Schlange lästerliche Lügen über Gott ausspricht (und zwar in direkter Rede)!

Fällt so nicht zuletzt das Wort Gottes dem subjektiven menschlichen Empfinden zum Opfer?

Abgesehen davon trägt die maßlos übertriebene Darstellung mittels zahlloser Suggestivbegriffe und Unterstellungen („Einschmuggeln“, „wahrhaft diabolischer Raffinesse“, „Perversion“ usw.) nicht gerade zur Sachlichkeit der Diskussion bei.



2.1.2 Die Fleischwerdung des Sohnes Gottes

Behauptung

Entgegnung

Lk 22,43-44: Die beiden Verse über den Engel, der den Herrn Jesus in Gethsemane stärkte und über Seinen blutigen Schweiß werden von NA als späterer Einschub bezeichnet und damit als unecht erklärt. Auch hier sind die alexandrinischen Hauptzeugen P75, Sinaiticus und Vaticanus federführend, daneben 5 Majuskeln und 2 Minuskeln – gegen die überwältigende Mehrheit aller Textzeugen (darunter 5 Majuskeln)! Dieses bewegende Zeugnis von dem Menschsein Jesu Christi paßte offensichtlich nicht zu den gnostischen Irrlehren.

Was leugnen die Gnostiker denn nun: Die Gottheit Jesu oder sein Menschsein? Oder gar beides? Oder je nach Bedarf gerade das, was im TR steht? Erneut wird hier völlig willkürlich argumentiert!

Auch hier ist die Bezeugung der Vv. 43f in den Hss schwach: wieder stehen die ältesten Textzeugen dagegen.

Darauf, daß „die überwältigende Mehrheit aller Textzeugen“ allein nicht beweist, daß eine Lesart ursprünglich ist, wurde bereits mehrfach hingewiesen.

(Übrigens sprechen die fraglichen Verse nicht von blutigem Schweiß, sondern von Schweißtropfen, die so groß wie Bluttropfen waren.)

Apg 2,30 heißt im TR: „...daß Gott ihm mit einem Eid verheißen hatte, daß er aus der Frucht seiner Lenden, dem Fleisch nach, den Christus erwecken werde, damit er auf seinem Thron sitze...“ NA streicht diesen wichtigen Hinweis auf die Fleischwerdung des Christus [...].

Aus dem Handschriftenbefund wird klar, daß die TR-Lesart eine Hinzufügung des späteren MT ist (Quelle: Röm 9,5), denn die ältesten Hss (auch die des frühen MT!) haben diesen Zusatz nicht, ebensowenig die lateinischen Hss des Irenäus, der die Gnostiker bekämpfte.

Auch der Zusammenhang spricht gegen eine Auslassung durch Irrlehrer: In Apg 2,30 wird Christus unter Bezug auf Ps 110 Davids Herr, also Gott genannt. Weiter ist von der leiblichen (!) Auferstehung die Rede – das setzt ja wohl seine Fleischwerdung voraus! Denn wie sollte jemand leiblich auferstehen, der zuvor gar keinen menschlichen Leib gehabt hätte?

1Kor 15,47 lautet im TR: „der zweite Mensch ist der Herr vom Himmel“. NA läßt den göttlichen Titel „der Herr“ aus – daß Gott Mensch werden konnte, war für die Gnostiker unerträglich (ausgelassen von Elb, revElb, Elb-CSV, Lu 84, ÖkEinh, GN u. v. a.).

Auch hier wird wieder der Zusammenhang sträflich ignoriert. Thema ist hier nicht die Menschwerdung Jesu Christi, sondern im Rahmen der Auferstehung der Gegensatz zwischen ihm, dem neuen Menschen, und Adam, dem alten Menschen. Springender Punkt ist doch, daß die, die an Christus glauben, ihm gleich sein werden (V.48) – doch keineswegs in Bezug auf seine Gottheit, sondern auf den verherrlichten Auferstehungsleib! Oder sollen wir etwa glauben, wir würden in der Auferstehung zu Göttern?



2.1.3 Die Herrlichkeit und Größe Jesu Christi

Behauptung

Entgegnung

In Röm 14,10 ändert NA den „Richterstuhl des Christus“ in „Richterstuhl Gottes“ und nimmt damit dem Herrn Jesus Christus die Ehre, der Richter zu sein (vgl. 2Kor 5,10). Diese willkürliche Änderung steht in ausdrücklichem und entlarvendem Widerspruch zu der Aussage in Joh 5,22-23: „Denn der Vater richtet niemand, sondern alles Gericht hat er dem Sohn übergeben, damit alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren.“

Wo bitte steht in Röm 14,10 nach NA, daß Gott, der auf dem Richterstuhl sitzt, nicht Christus wäre? Was soll denn hier auf einmal falsch daran sein, Christus Gott zu nennen?

Hat sich hier etwa der TR gegen ihn verschworen, weil er „Gott“ durch „Christus“ ersetzt, also Christus nicht ausdrücklich Gott nennt? Natürlich nicht! Vielmehr ist es so, daß die Worte „Jesus“, „Christus“, „Herr“ und „Gott“ in den Hss oft untereinander ausgetauscht werden.

Gal 3,17 streicht NA „ein von Gott auf Christus hin zuvor bestätigtes Testament...“ In Gal 6,15 wird gestrichen: „Denn in Christus Jesus gilt weder Beschnittensein...“ Gal 4,7 lautet im TR: „wenn aber Sohn, dann auch Erbe Gottes durch Christus“ (vgl. Röm 8,17); NA macht daraus: „dann auch Erbe durch Gott“ und verdunkelt damit, daß wir nur durch Christus Erben sind [...].

Auch hier liefert RE die Quelle der Texterweiterung durch den MT/TR: spätere Abschreiber haben den Galaterbrief anhand ähnlicher Aussagen in Röm 8,17 ergänzt. Wenn Irrlehrer hier etwas gekürzt hätten, warum haben sie dann Röm 8,17 nicht angetastet?

Und wenn es allein daran läge, was ein biblisches Buch nicht sagt: Leugnet dann z.B. das Buch Ester die Existenz Gottes? Denn Gott wird dort kein einziges Mal ausdrücklich erwähnt! Genau deshalb hat die Septuaginta den hebräischen Text des Buches Ester um viele fromme Worte erweitert. Sollte deshalb die Septuaginta inspiriert sein, der hebräische Originaltext hingegen nicht?

Eph 3,9 lautet im TR: „...der alles erschaffen hat durch Jesus Christus“; NA läßt „durch Jesus Christus“ weg.

Auch hier liegt im MT/TR wieder die klassische Angleichung von Parallelstellen vor (die sog. „Zwillingsepisteln“ Epheser- und Kolosserbrief; vgl. Kol 1,16).

Phil 4,13 lautet im TR: „Ich vermag alles in dem, der mich stark macht, Christus“. NA läßt „Christus“ weg.

Der Handschriftenbefund spricht hier wieder einmal eindeutig gegen den TR. „Christus“ ist ein späterer, der Verdeutlichung dienender Zusatz. Wer aber wollte ernsthaft behaupten, Paulus sei aus anderer Quelle als von Gott bzw. Christus gestärkt worden – etwa vom Teufel?!



2.1.4 Auferstehung und Himmelfahrt Jesu Christi

Behauptung

Entgegnung

Das inspirierte Zeugnis der Auferstehung unseres Herrn in Lukas 24 war ebenfalls Zielscheibe häretischer Veränderungen. Die Aussage Lk 24,6: „Er ist nicht hier; er ist auferstanden“ wurde allein aufgrund seiner Auslassung in Codex D in NA 25 als später Zusatz in Klammern gesetzt! Alle anderen HSS, einschließlich Sinaiticus und Vaticanus, haben diesen Satz! Heute noch hat ÖkEinh hier eine textkritische Fußnote.

Die betreffenden Worte sind ab der 26. Auflage des NA ohne Klammern im Text, gehören also nach Meinung der NA-Herausgeber sicher dazu. Daß Codex D nämlich in den Evangelien und der Apg nicht immer der zuverlässigste Textzeuge ist, hat sich schon längst unter den Textforschern herumgesprochen (das gilt auch für die Auslassungen in Lk 24,12+40). Wozu also die Aufregung?

In Lk 24,51 läßt Codex D, dieses Mal zusammen mit Sinaiticus, aus: „und wurde aufgehoben in den Himmel“. Auch diesen wesentlichen, von allen anderen Textzeugen überlieferten Bericht läßt NA 25 aus, Me und Lu 56 haben Klammern, ÖkEinh hat Fußnote. In V. 52 läßt D und mit ihm NA 25 aus: „und sie warfen sich anbetend vor ihm nieder“. Dieser Satz wird von Lu 56 einfach weggelassen!

In NA sind diese Worte seit der 26. Auflage enthalten! Grund der Auslassung in Sinaiticus und D: Überspringen einer Zeile wegen ähnlich lautender Worte. Zur Verdeutlichung hier der Text in Umschrift:

51 Kai egéneto en tô eulogeîn autòn autoùs diëstê ap’ autôn kai aneféreto eis ton oûranón. 52 Kai autoì proskynêsantes autòn hypéstrepsan eis Ïeroûsalêm metà charâs megálês.

Das Auge des Schreibers sprang von diëstê ap’ autôn (verließ er sie) nach autòn hypéstrepsan (ihn, kehrten sie...), wodurch die Worte ausfielen: „und wurde hinaufgetragen in den Himmel. 52 Und sie, ihn anbetend...“ Es handelt sich also wieder einmal nicht um eine vorsätzliche Fälschung, sondern um einen typischen Kopierfehler!

Codex D, der – zufällig? – aus Apg 1,11 wegläßt: „Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen worden ist...“

  1. NA folgt nicht D, sondern bietet mit den angeblich ach so korrupten Hss Vaticanus und Sinaiticus sowie mit fast allen übrigen Hss den Text so, wie er links steht!

  2. Durch den Einschub des Wortes „zufällig?“ tut RE so, als habe D vorsätzlich die Himmelfahrt Jesu gestrichen. Warum solche Suggestivargumente?

  1. Hier Fälschung zu unterstellen ist absurd, denn die Wendung „in den Himmel“ kommt dreimal (!) im Text vor! Der Text lautet vollständig:

Männer aus Galiläa, was steht ihr da und blickt auf in den Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg aufgenommen wurde in den Himmel, wird so kommen, wie ihr ihn habt hingehen sehen in den Himmel.“

Hätte ein Irrlehrer die Himmelfahrt Jesu unterschlagen wollen, warum hat er dann nicht auch die anderen beiden „in den Himmel“ gestrichen, geschweige denn den ganzen Bericht über die Himmelfahrt in Vv.9-10? Dies alles steht nämlich auch in Codex D!

Frage: Warum zitiert RE den Text nicht vollständig?

Joh 16,16: „Noch eine kurze Zeit, und ihr werdet mich nicht sehen, und wiederum eine kurze Zeit, und ihr werdet mich sehen; denn ich gehe zum Vater“. [NA läßt den fett gedruckten Text weg.]

Der Nachsatz „denn ich gehe zum Vater“ steht nicht in den ältesten Hss. Spätere Abschreiber haben ihn gemäß V.17 ergänzt, angesichts dessen er scheinbar fehlte. Daß er zum Vater geht, sagte Jesus aber schon zuvor in V.10.

Eine vorsätzliche Fälschung ist daher auch hier unglaubwürdig.

Mit der textkritischen Abwertung der Verse von Mk 16,9-20 als „späterer Zusatz“ (und damit unecht) soll ein überaus wichtiges Zeugnis über den auferstandenen Herrn und seine Lehren aus der Heiligen Schrift getilgt werden. Davon sind auch andere wichtige biblische Lehren betroffen: u. a. der Auftrag zur Evangeliumsverkündigung (V. 15), die Rettung durch den Glauben und die Verdammnis aufgrund von Unglauben (V. 16); die Lehre von den apostolischen Zeichengaben (V. 17-18.20); die Himmelfahrt und herrliche Stellung des Herrn zur Rechten Gottes (V. 19). Diese wohl dreisteste und schwerwiegendste Verfälschung der Bibel durch die moderne Textkritik erfolgt auf das „wissenschaftlich fundierte“ Zeugnis dreier von 5.400 Handschriften (Sinaiticus, Vaticanus und eine Minuskel). Dazu kommt das Zeugnis der Kirchenväter Clemens von Alexandrien (Gnostiker), Origenes (Gnostiker und Clemens-Schüler) und Eusebius (Origenes-Verehrer). Unter den Gegenzeugen finden sich nicht nur die große Zahl der byzantinischen HSS, sondern immerhin 5 alte Majuskeln sowie Irenäus (2. Jh.) und Tertullian (3. Jh.) unter den „Kirchenvätern“. Die Auswirkungen auf die modernen Bibeln: Elb setzt in Klammern, Zü, Lu 84, revElb, GN, ÖkEinh stellen dieses inspirierte Gotteswort durch eine textkritische Fußnote in Frage.

Daß Mk 16,9-20 ein „inspirierte[s] Gotteswort“ ist, wird einfach ex cathedra vorausgesetzt; diejenigen „Kirchenväter“, die Mk 16,9-20 nicht kannten oder als unecht ablehnten, werden als Irrlehrer bezeichnet, um sie in ein schlechtes Licht zu stellen. Das ist wieder einmal keine seriöse, sondern suggestive Argumentation.

Wenn man wollte, könnte man den Spieß nämlich auch umdrehen: Irenäus und Tertullian meinten, die Taufe diene zur Vergebung der Sünden.[36] Zweifellos eine Irrlehre. Sind deshalb Mk 16,9-20, die sie bezeugen, als „von Irrlehrern“ abzulehnen?

Die in Mk 16,9-20 genannten Dinge finden sich (bis auf das „Gift trinken“) in den Auferstehungsberichten der anderen Evangelien und in der Apg; RE hingegen tut gerade so, als ob sie sonst nirgends in der Bibel stünden.

Textzeugen gegen Mk 16,9-20 sind nicht „nur drei Handschriften“, sondern die ältesten Hss einschließlich vieler alter Übersetzungen! Die ältesten Hss, die Mk 16,9-20 bezeugen, sind Vertreter des frühen MT aus dem 5. Jh. (Codices A und C). Einige spätere Hss, die diese Vv. überliefern, kennzeichnen sie als zweifelhaft. Irenäus und Tertullian zeigen zwar, daß der lange Markusschluß sehr alt ist, beweisen aber nicht zwingend seine Echtheit. Bis zum 4. Jh. überlieferte die überwiegende Mehrzahl der Hss Mk 16,9-20 nicht; die meisten Kirchenväter hielten diese Verse für unecht.

Auch innere Gründe sprechen gegen Mk 16,9-20: Ab V.9 liegt ein völlig anderer Stil vor.[37]

Hätten Häretiker den Schluß des Mk-Ev. getilgt, warum haben sie dann nicht auch V.6-7 gestrichen, wo der Engel die Auferstehung Jesu verkündet? Warum nicht auch Jesu mehrfache Ankündigung seiner Auferstehung (Mk 8,31; 9,9.31; 10,34)? Und warum dann nicht auch die Auferstehungsberichte bei Mt, Lk und Joh?

Zuletzt aber ist der Autor von Mk 16,9-20 inzwischen bekannt: Aristion, ein Zeitgenosse des Papias (Anfang des 2. Jh.).[38] Aristion war weder Apostel, noch hatten diese ihn bevollmächtigt, Heilige Schriften zu verfassen. Er hatte somit nicht die Autorität, dem Mk-Ev etwas hinzuzufügen. Die Zugehörigkeit von Mk 16,9-20 zum biblischen Kanon muß daher auch aus dogmatischen Gründen abgelehnt werden.




2.2 Veränderungen, die Aussagen über das biblische Glaubensleben beeinträchtigen?

Behauptung

Entgegnung

[Verschiedene Fassungen des Vaterunsers in Mt 6,9-13 und Lk 11,2-4; Gebetsschluß „Denn dein ist das Reich...“]

„Denn dein ist das Reich...“: wurde aus der kirchlichen Liturgie in den Text übernommen; das Zeugnis der frühen Hss ist überdeutlich. Seit wann ist die kirchliche Liturgie – ausgerechnet die der zutiefst in Götzendienst verstrickten Ostkirche! – für ein gesundes Glaubensleben notwendig?

Die sog. „Weglassungen“ bei Lk durch den NA betreffen offensichtliche Harmonisierungen im MT, die den kürzeren Lk-Text an den längeren Mt-Text anglichen. Zwischen beiden NA-Fassungen liegt kein Widerspruch vor, sondern es handelt sich um einander ergänzende Zeugnisse desselben Ereignisses.[39]

Mt 6,1 lautet im TR: „Habt acht, daß ihr eure Almosen nicht vor den Leuten gebt...“, was völlig mit dem Gesamtzusammenhang übereinstimmt (vgl. V. 2).

Gerade der Gesamtzusammenhang spricht (neben dem Handschriftenbefund) gegen den MT/TR, der den Sinn von V.1 auf das Almosengeben verengt. Mit „Gerechtigkeit“ ist nämlich nicht nur das Almosengeben, sondern auch das Gebet gemeint (V.5ff). Dieses sollen wir ebenfalls nicht an die große Glocke hängen.

Mk 2,17 hat TR: „Ich bin nicht gekommen, um Gerechte zu rufen, sondern Sünder zur Buße“. NA streicht hier „zur Buße

Nur wenige Hss übernehmen „zur Buße“ aus der Parallelstelle Lk 5,32. Ähnliches gilt für Mt 9,13. Warum aber hätten angebliche Fälscher dann nicht auch Lk 5,32 „gekürzt“?

In 1Kor 11,24 heißt es im TR: „Nehmt, eßt! Das ist mein Leib, der für euch gebrochen wird, dies tut zu meinem Gedächtnis!“ [...] In der alexandrinischen Fassung dagegen wird der katholische Sakramentenmystizismus gestützt.

Und wieder einmal wird in den Text hineingelesen, was dort nicht steht.

Gegenfrage: Auf welchen Text hat sich wohl Luther im Abendmahlsstreit mit Zwingli berufen: auf den TR oder den NA? (Luther blieb dem röm.-kath. Sakramentsdenken verhaftet, während Zwingli zu Recht die symbolische Auffassung vertrat.)



2.3 Die Erlösung und Errettung durch den Glauben an Jesus Christus

Behauptung

Entgegnung

Joh 6,47 läßt NA das entscheidende „an mich“ in der Aussage „Wer an mich glaubt, der hat ewiges Leben“ weg.

Daß allein Christus das Objekt des rettenden Glaubens ist, wird auch im NA aus dem Zusammenhang mehr als deutlich!

In Mk 10,24 wird eine wichtige Aussage über die Errettung durch eine Auslassung der alexandrinischen Texte schwerwiegend verändert. Im Textus Receptus lautet dieser Vers: „Kinder, wie schwer ist es für die, welche ihr vertrauen auf Reichtum setzen, in das Reich Gottes hineinzukommen!“ NA [...] ergibt die Aussage: „Wie schwer ist es, in das Reich Gottes hineinzukommen“, die der biblischen Lehre von der Errettung allein durch einfachen Glauben entgegensteht und ganz im Sinn der Gnosis und katholischen Werkgerechtigkeit große Anstrengungen und Mühen als Voraussetzung für den Eingang ins Reich Gottes andeutet [...].

Wo bitte unterstützt der NA hier Werkgerechtigkeit? Das ist blühende Phantasie. RE unterstellt hier dem NA-Text eine Aussage als die angeblich einzig mögliche Bedeutung, die dieser absolut nicht hergibt. Der vorangehende Vers 23 lautet nämlich (auch in den alexandrinischen Hss!): „Da blickte Jesus umher und sprach zu seinen Jüngern: Wie schwer werden die Reichen in das Reich Gottes eingehen!“

Um hier einen Beleg für eine angebliche Fälschung zu sehen, wird wieder einmal der Kontext komplett ausgeblendet. Ist das ein seriöser Umgang mit der Heiligen Schrift?

Röm 5,1 wird die zentrale Aussage: „Da wir nun aus Glauben gerechtfertigt worden sind, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus“ von einigen häretischen HSS so verfälscht: „so laßt uns Frieden haben mit Gott“. Damit wird die biblische Lehre, daß der Friede mit Gott eine Frucht des Glaubens ist, umgefälscht, als ob der Gläubige ihn erst suchen und erringen müßte!

Sehr wahrscheinlich liegt hier bei mehreren alten Hss ein Schreibfehler vor. NA stimmt hier aber mit dem MT/TR überein, der den Text richtig wiedergibt!

Der Unterschied zwischen Indikativ („wir haben“) und Optativ („laßt uns haben“) besteht in nur einem Buchstaben, nämlich O (Omikron) und Ω (Omega), die zur Zeit des NT beide denselben Lautwert „o“ hatten (heute steht das Omikron für ein kurzes, das Omega für ein langes „o“). Sie konnten somit (etwa beim Diktat) leicht verwechselt werden. Eine Verfälschung durch Gnostiker ist daher mehr als unwahrscheinlich (s. auch oben!).

Kol 1,14 streicht NA aus der TR-Fassung „in dem wir die Erlösung haben durch sein Blut“ das wesentliche „durch sein Blut“.

Die Worte „durch sein Blut“ wurden lediglich in einigen späten Minuskeln aus der Parallelstelle Eph 1,7 ergänzt; auch der MT stimmt hier mit dem NA überein! Warum gilt hier auf einmal das Zeugnis der sonst so oft beschworenen „überwältigenden Mehrheit“ nicht mehr? Oder steht das Ergebnis von vornherein fest: Der TR hat immer recht?



3. Zusammenfassung

Alle Handschriften des NT wie auch alle Textausgaben stimmen insgesamt in erstaunlich hohem Maß überein. Obwohl der TR eine relativ minderwertige Bearbeitung nur weniger später Handschriften ist, die ihrerseits schon vom Urtext abweichen, muß dennoch betont werden, daß er mit dem NA zu 98 Prozent identisch ist; keine der abweichenden Lesarten stellt auch nur eine einzige neutestamentliche Lehre ernsthaft in Frage. Man kann daher nur dankbar anerkennen, daß Gott sein Wort durch die Jahrhunderte trotz aller menschlicher Fehler bewahrt hat.

Die Behauptung, moderne textkritische Ausgaben des Griechischen NT beruhten auf gnostisch gefärbten Handschriften und verfälschten das Wort Gottes, entbehrt jeder Grundlage und muß als unhaltbar und irreführend zurückgewiesen werden. Die „Gründe“, die dafür ins Feld geführt werden, sind maßlos übertrieben und vernachlässigen sträflich den Zusammenhang der jeweiligen Bibeltexte.

Weder der Textus Receptus noch der Nestle-Aland geben also Anlaß dazu, daß das Evangelium neu definiert werden müßte. Niemand muß meinen, er habe eine „schlechte“ Bibel, weil diese auf dem MT, dem TR oder dem NA beruht.[40]

Wer allerdings Wert auf größtmögliche Genauigkeit legt, sollte eine Bibelausgabe vorziehen, die den NA zur Grundlage hat. Dieser ist das Ergebnis jahrzehntelanger Forschung und berücksichtigt nahezu alle bekannten Handschriften einschließlich der ältesten und zuverlässigsten Textzeugen. Somit ist er dem MT, insbesondere aber dem TR qualitativ weit überlegen.



* * *



Anhang: Abkürzungen und Sacherklärungen

Alexandrinischer Text: Benannt nach der ägyptischen Metropole und Hafenstadt Alexandria, einem bedeutenden Zentrum antiker Gelehrsamkeit und Handschriftenproduktion. Die ältesten vorhandenen Handschriften weisen übereinstimmend diesen Texttyp auf (durch Papyrusfunde nachweisbar bis ins frühe 2. Jahrhundert).

Byzantinischer oder Mehrheitstext (MT): Texttyp, der von der Mehrheit der griechischen Handschriften geboten wird; benannt nach Byzanz (Konstantinopel, heute Istanbul), der Hauptstadt des oströmischen Reiches. In seinen Anfängen nachweisbar ab dem 4.-5. Jahrhundert, setzte er sich im Osten als Norm durch. Merkmale: Harmonisierung von Paralleltexten, v. a. der Evangelien, Kombination mehrerer zuvor überlieferter Lesarten zu einer einzigen, Verbesserung vermeintlich oder tatsächlich falscher Lesarten und leichte Angleichung der Sprache an das klassische Griechisch. Hierbei ist zu beachten, daß sich diese Merkmale über die Jahrhunderte durch ständige Bearbeitung seitens der Abschreiber einstellten und der MT in sich nicht völlig einheitlich ist. Auch wird der Sinn des Originals durch die Änderungen im MT kaum berührt; oft sind die Unterschiede zum alexandrinischem Text so gering, daß sie nicht einmal übersetzbar sind.

Codex Alexandrinus (A): Lt. Aland zusammen mit C der wertvollste Textzeuge für die Offenbarung. In den Evangelien und der Apostelgeschichte byzantinisch, Rest alexandrinisch; 5. Jh.

Codex Bezae (D): Benannt nach seinem früheren Besitzer, dem Reformator Theodor Beza. Es handelt sich dabei genaugenommen um zwei Codices: den Codex 05 mit den Evangelien und der Apostelgeschichte („D-Text“, 5. Jh.) und den Codex 06 mit den Paulusbriefen (alexandrinisch mit Abweichungen, 6. Jh.).

Codex Ephraëmi Rescriptus (C): Durch Constantin v. Tischendorf entzifferte Handschrift. Der ursprüngliche Bibeltext war abgewischt und mit Werken des syrischen Kirchenvaters Ephraëm überschrieben worden (lateinisch: „rescriptus“). Bedeutender Textzeuge für die Offenbarung. In den Evangelien byzantinisch, Rest alexandrinisch; 5. Jh.

Codex Sinaiticus (א, Aleph): Durch Tischendorf im Katharinenkloster am Berg Sinai entdeckte Handschrift. Alexandrinisch, 4. Jh.

Codex Vaticanus (B): Lt. Aland die mit Abstand beste Handschrift, besonders in den Evangelien. Ab Hebr 9,14 ist der ursprüngliche Text durch Beschädigung verloren. Alexandrinisch, 4. Jh.

D-Text: Früher auch „westlicher Text“ genannt (aufgrund von Annahmen Westcotts und Horts, die inzwischen als Irrtum erkannt wurden). Hauptzeugen: Codex Bezae (D) in den Evangelien und der Apostelgeschichte sowie wenige andere Handschriften. Dieser Texttyp weist deutlich redaktionelle Eingriffe auf.

Gnosis: Irrlehre, die christliche mit heidnischen Ideen vermischte. Alles Materielle wurde an sich für böse gehalten; daher leugnete die Gnosis die Fleischwerdung Christi.

Hs / Hss: Handschrift / Handschriften

Majuskel: 1. Großbuchstabe. 2. Handschrift, die ausschließlich in Großbuchstaben, ohne Wortzwischenräume und Satzzeichen geschrieben ist (bis einschließlich zum 8. Jh. sind alle griechischen Hss Majuskeln).

Minuskel: 1. Kleinbuchstabe. 2. Handschrift, die von Eigennamen und Satzanfängen abgesehen in Kleinbuchstaben geschrieben ist. Die Minuskelschrift, die sowohl flüssiger zu schreiben als auch zu lesen ist, wurde im 8. Jh. von Gelehrten Karls des Großen für die lateinische Schrift erfunden. Im 9. Jh. wurde diese Schreibweise auch für die griechische Schrift übernommen.

Papyrus: 1. Pflanze, die in Ägypten an den Ufern des Nils wächst. 2. Aus den Fasern der Papyruspflanze hergestellter Schreibstoff; billig, aber nicht sehr haltbar. 3. Eine aus Papyrus hergestellte Hs (Mehrzahl: Papyri). – Die uns heute vorliegenden frühen Hss bis zum 3. Jh. sind ausschließlich Papyri.

Pentateuch: Die fünf Bücher Moses.

Polyglotte: von griechisch „mehrsprachig“ = ein Buch, dessen Text mehrsprachig in Spalten nebeneinander steht.

Septuaginta: Die älteste griechische Übersetzung des AT, 3. Jh. v. Chr.

Vulgata: Die lateinische Übersetzung der Bibel durch Hieronymus, um 400 n. Chr.



* * *


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Fußnoten:

1       Angehängte Zahlen bezeichnen die jeweilige Auflage (z.B. NA27 = 27. Auflage des NA).

2       Der Verfasser bekennt sich ausdrücklich zur Verbalinspiration, Unfehlbarkeit und Irrtumslosigkeit der Bibel in ihren Originalen, ebenso auch zur Bewahrung der Schrift, was beides die Lehre Jesu und seiner Apostel ist.

3       Nichts liegt dem Autor ferner, als eine Trennwand zwischen „Experten“ und sog. „Laien“ aufrichten zu wollen. Um Abschreibfehler oder Textänderungen erkennen zu können, liegt es allerdings schlicht in der Natur der Sache, daß Kenntnisse der Sprache nötig sind, in der eine Handschrift verfaßt wurde. Eine bloße Gegenüberstellung von Übersetzungen, die auf verschiedenen Textausgaben beruhen, reicht zur Ermittlung des ursprünglichen Textes meist nicht aus.

4       Der Verfasser möchte betonen, daß er z.B. mit R. Ebertshäuser, dessen Ansichten zum TR er nicht teilt, in vielen anderen Fragen vollkommen übereinstimmt!

5       Martin Heide ist Altphilologe und war bei der Revision der Schlachter-Übersetzung für die Bearbeitung des AT verantwortlich. Er vertritt eine konsequent bibeltreue Haltung; sein Buch beruht auf der direkten Untersuchung zahlreicher neutestamentlicher Handschriften. Alle folgenden Zitate aus Der einzig wahre Bibeltext? und Verweise darauf beziehen sich noch auf die 3. Auflage von 2004. Ich hoffe, in einer späteren Überarbeitung die neueste Auflage berücksichtigen zu können.

6       Die im folgenden angeführten Argumente für den Textus Receptus stammen aus der Schrift von Rudolf Ebertshäuser, Der überlieferte Text des Neuen Testaments und die heutigen Bibelübersetzungen, 2. Auflage (Leonberg: ESRA-Schriftendienst, 2003; im folgenden RE abgekürzt). Die Zitate erfolgen z.T. sinngemäß; Worte in eckigen Klammern (außer bei REs Anmerkungen zu Joh 1,18) sind erläuternde Einschübe des Verfassers.

7       Vgl. Heide, Der einzig wahre Bibeltext?, S. 19. Der Grund für diese Eile lag darin, daß eine konkurrierende Ausgabe (die Polyglottenbibel des spanischen Kardinals Ximénez) bereits gedruckt, aber noch nicht in den Handel gelangt war. Dem wollten Erasmus und sein Verleger Froben zuvorkommen, womit sie auch Erfolg hatten. Die Fehler, die sich dabei in den Text einschlichen, wurden in späteren Auflagen nur zum Teil korrigiert.

8       Zahlreiche Verleger druckten den Text des Erasmus z.T. mit geringen Änderungen nach, so auch der niederländische Drucker und Verleger Elzevier, der das von ihm 1633 herausgegebene Griechische NT „textum ... ab omnibus receptum“ nannte („den von allen anerkannten Text“) und dadurch den Begriff „Textus Receptus“ prägte.

9       Beispiele hierzu siehe in Teil 2: „Sind vom Textus Receptus abweichende Lesarten häretisch motiviert?“

10     Dazu zwei Beispiele:

a)      Mk 11,10 lautet im TR nach mehreren MT-Hss: „Gepriesen sei das kommende Reich im Namen des Herrn, unseres Vaters David!“ Das wäre Gotteslästerung: David, ein Mensch, wird zu Gott dem HERRN gemacht! TR-Bibeln versuchen dieses Problem zu umgehen, indem sie wie folgt übersetzen: „Gelobt sei das Reich unseres Vaters David, das da kommt in dem Namen des HERRN“ (so Luther 1912). Dies ist mit der Grammatik des griechischen Textes jedoch unvereinbar. Dabei ist dieses Problem gar keines: die Worte „im Namen des Herrn“ stehen in den ältesten Hss nicht; spätere Hss des MT übernahmen sie versehentlich aus Vers 9.

b)      Was müssen wir gemäß Offb 22,14 tun, um vom Baum des Lebens essen zu dürfen, d. h. ewiges Leben zu haben (vgl. 1Mo 3,22): Gottes „Gebote halten“ (so TR und MT; das wäre Werkgerechtigkeit!) oder unsere „Kleider waschen“ (so NA), d. h. im Blut Christi (s. Offb 7,14), also durch den Glauben an sein Opfer am Kreuz? Man beachte: Der MT spricht hier nicht von Werken als Frucht des Glaubens, ohne die der Glaube tot ist (Jak 2,17-26), sondern von Werken als Mittel zum Erlangen des Heils; der Text lautet ausdrücklich: „damit sie ein Anrecht am Baum des Lebens haben“. Dennoch ist diese Lesart nicht auf häretische Absichten, sondern auf einen Lese- oder Hörfehler zurückzuführen, denn die jeweiligen Worte klingen im Griechischen sehr ähnlich.

11     So vertrat der anglikanische Dekan John W. Burgon, der im 19. Jh. den TR bzw. MT gegen die Textkritik verteidigte, die Taufwiedergeburtslehre. Allerdings sah Burgon (anders als manche TR-Verfechter von heute) durchaus ein, daß der TR in einigen Punkten korrekturbedürftig ist. Vgl. Gary R. Hudson, „Why Dean Burgon Would Not Join The Dean Burgon Society“, im Internet unter http://members.aol.com/pilgrimpub/burgon.htm veröffentlicht. Hingegen war z.B. Samuel P. Tregelles, ein führender Textkritiker des 19. Jahrhunderts, gläubig im biblischen Sinn (nach seiner Bekehrung war er zuerst bei den Brüderversammlungen, später schloß er sich den Baptisten an).

12     Vgl. Heide, Der einzig wahre Bibeltext?, S. 9-13. Erasmus vertrat sogar bibelkritische Ansichten (vgl. ebd., S. 14-16)!

13     Der uns heute vorliegende hebräische Text ist das Ergebnis einer umfangreichen Arbeit, die zum Ziel hatte, den Urtext des AT so genau wie möglich zu bewahren – was den sog. Masoreten (d. h. „Überlieferer“, das sind die jüdischen Schriftgelehrten, die vorwiegend mit dem Kopieren der Heiligen Schrift befaßt waren) auf bewundernswerte Weise gelungen ist. Es gibt neben dem Masoretentext auch andere Formen des alttestamentlichen Textes, wie sie sich in den Qumran-Rollen, dem samaritischen Pentateuch und der Septuaginta finden; doch erweist sich der Masoretentext ihnen gegenüber fast immer als besser.

14     „Auch für den byzantinischen Text, der selbstverständlich nicht insgesamt, sondern nur in der Masse der puren Wiederholungen bei der editorischen Arbeit ausgeschieden werden darf, läßt sich ... wertvoller Aufschluß gewinnen.“ Kurt u. Barbara Aland, Der Text des Neuen Testaments, S. 341f. Übrigens erfährt der MT gerade in letzter Zeit wieder verstärkte Beachtung in der Textkritik (vgl. z.B. die bisherigen Lieferungen der neuen Editio Critica Maior).

15     Mit den von TR-Anhängern oft zitierten Worten Alands, „Die Anschauung von der Verbalinspiration ... setzt den Textus receptus voraus“ (Der Text des NT, S. 16), meinte dieser nicht, die Lehre von der Verbalinspiration stehe und falle mit dem TR (was angesichts der Tatsache, daß Aland ein profunder Kenner der Kirchengeschichte war, auch mehr als verwundern sollte), sondern daß die evangelischen Theologen des 16.-18. Jahrhunderts, die an die Verbalinspiration des Urtextes glaubten, den TR für identisch mit dem Urtext des NT hielten. Andernorts hat er sich klarer ausgedrückt; siehe Kurt Aland, „Der Text der Kirche?“, in: Jesu Rede von Gott und ihre Nachgeschichte im frühen Christentum: Beiträge zur Verkündigung Jesu und zum Kerygma der Kirche. Festschrift für Willi Marxsen zum 70. Geburtstag, hg. Dietrich-Alex Koch u. a. (Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Mohn, 1989): 398-413. — Für den Hinweis auf diesen Aufsatz sei Martin Heide gedankt.

16     Zwei führende Textkritiker des 19. Jahrhunderts, Herausgeber des New Testament in the Original Greek von 1881.

17     Westcott war während seines Studiums Mitglied der Studentenvereinigung „Ghostlie Guild“. Diese betrieb jedoch keinen Spiritismus, sondern wollte Berichte über Spukphänomene kritisch auf ihre Glaubwürdigkeit hin untersuchen und (wenn möglich) als Betrug entlarven. Westcott verließ die Gesellschaft aber nach kurzer Zeit, „da er zu der festen Überzeugung gelangte, daß solche Untersuchungen zu nichts Gutem führen“. So der Sohn Westcotts, zit. nach Robert L. Sumner, „Were Westcott & Hort Members of a Ghost Society?“, Target, January 1994 (veröffentlicht im Internet bei www.kjvonly.org). Über Hort liegen dem Autor diesbezüglich keine gesicherten Angaben vor. Allerdings liegt die Beweislast für derartige Anschuldigungen nicht beim Angeklagten, sondern beim Ankläger (vgl. 5Mo 19,15)!

18     „In der Tat: wenn man alle Beweise zusammenfaßt, kann man sagen, daß kein historisches Ereignis besser oder verschiedenartiger bewiesen ist als die Auferstehung Christi. Nur wenn man von vornherein annimmt, sie sei auf jeden Fall falsch, kann man ihr mangelhafte Beweise unterstellen.“ B.F. Westcott, zit. bei Paul Little, Ich weiß, woran ich glaube (Neuhausen: Hänssler, 1977), S. 58.

19     Vgl. James May, „B.F. Westcott and the Deity of Jesus Christ“ (im Internet veröffentlicht bei www.kjvonly.org).

20     Damit sind wohl vor allem der Codex Sinaiticus und der Codex Vaticanus gemeint.

21     Vgl. Heide, Der einzig wahre Bibeltext?, S. 111.

22     Der Codex Vaticanus befand sich zwar bereits seit 1475 im vatikanischen Archiv, wurde jedoch lange Zeit nicht beachtet und erst 1857 veröffentlicht. Der Codex Alexandrinus (in den Evangelien byzantinisch, sonst alexandrinisch) wurde dem englischen König Karl I. von Patriarch Kyrill Lukaris v. Alexandrien im Jahr 1628 geschenkt (also 17 Jahre nach der Übersetzung der „King-James-Bibel“). Vgl. Aland, Der Text des NT, S. 118.

23     Dies ist insofern bedeutsam, da die Kirche jener Zeit straff zentralistisch organisiert war und der Bischof ihren Kurs bestimmte. Vgl. Aland, Der Text des NT, S. 75. Würde der alexandrinische Texttyp hingegen tatsächlich gnostische Irrlehren unterstützen, wäre er von Athanasius bekämpft worden. Statt dessen hat er diesen Texttyp selbst verwendet! Vgl. Aland, ebd.

24     Heide, Der einzig wahre Bibeltext?, S. 150.

25     Vgl. Heide, Der einzig wahre Bibeltext?, S. 146f.

26     Die altlateinischen Übersetzungen bilden hiervon eine Ausnahme, da sie nicht einheitlich sind (sie sind weder byzantinisch noch rein alexandrinisch; gelegentlich stimmen sie auch mit dem sog. „D-Text“ überein).

27     NA26, S. 25* der Einführung.

28     Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß der Hauptgrund für die relativ geringe Zahl von NT-Hss aus den ersten drei Jahrhunderten in den damaligen Christenverfolgungen liegt. Hätte es den Mehrheitstext als solchen schon von Anfang an gegeben, dann sollte man entsprechende Manuskripte auch unter den ägyptischen Papyri finden (und nicht nur vereinzelte Lesarten, die sich im byzantinischen Text wiederfinden). Die Meinung, solche Handschriften gäbe es aufgrund der damals in Ägypten angeblich vorherrschenden Irrlehren nicht, steht – wie schon oben erwähnt – im Widerspruch zu den geschichtlichen Tatsachen.

29     Als Vertreter der Gläubigentaufe würde sich der Autor natürlich freuen, wenn dieser Vers ursprünglich wäre; doch muß die Wahrheit über dem eigenen Wunschdenken stehen. Außerdem gibt es mehr als genug weitere biblische Belege für die Gläubigentaufe.

30     Auch die alexandrinischen Hss kürzen die nomina sacra einschließlich „Jesus“ und „Heiliger Geist“ ab; das beweist, daß ihre Abschreiber an die Dreieinigkeit Gottes glaubten und somit keine Gnostiker waren (vgl. Heide, Der einzig wahre Bibeltext?, S. 151f).

31     Vgl. Luk 7,12; 8,42; 9,38; Joh 1,14; 1,18; 3,16; 3,18; Heb 11,17; 1Jo 4,9. Die Septuaginta verwendet an vier Stellen (Ri 11,34; Ps 22,21; 25,16; 35,17) monogenes, womit sie jedesmal das hebräische jachid wiedergibt, das ebenfalls „einzig“, „allein“ (in Ps 25,16 im Sinne von „einsam“) bedeutet. „Monogenes“ sagt also nichts über die Geburt einer Person aus, sondern betont deren Einzigartigkeit.

32     Westcott und Hort meinten, wo die „westlichen“ Hss (D u. a.) kürzer als die alexandrinischen seien, gäben erstere den ursprünglichen Text wieder, während letztere den Text erweitert hätten. Doch D u. a. Hss dieses Typs stammen, wie man mittlerweile festgestellt hat, aus Nordafrika oder Ägypten; ihre westliche Herkunft ist also ein Irrtum (und damit auch Westcotts und Horts Theorie). Zudem zeigen sie deutliche Merkmale redaktioneller Eingriffe in den Text auf, können also nicht mit dem Urtext identisch sein.

33     Siehe hierzu auch Anmerkung 35.

34     Um Mißverständnisse zu vermeiden, kann man diesen Satz auf deutsch durchaus mit „Ich gehe ‹noch› nicht zu diesem Fest hinauf“ wiedergeben; hingegen ist der Vorwurf, die von NA bevorzugte Lesart schiebe dem Herrn Jesus eine Lüge unter, schlicht falsch und zeugt entweder von Voreingenommenheit oder von mangelnder Sachkenntnis.

35     Daß Jesus der Menschensohn = der Christus = der Sohn Gottes ist, zeigt Mt 16,13-17 sehr deutlich: „Als aber Jesus in die Gegend von Cäsarea Philippi gekommen war, fragte er seine Jünger: ‘Was sagen die Menschen, wer der Menschensohn sei?’ Da sprachen sie: ‘Einige: Johannes der Täufer; andere aber: Elia; und andere wieder: Jeremia oder einer der Propheten.’ Er sprach zu ihnen: ‘Ihr aber, was sagt ihr, wer ich sei?’ Da antwortete Simon Petrus: ‘Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.’ Und Jesus antwortete ihm: ‘Glücklich bist du, Simon, Bar Jona; denn Fleisch und Blut haben es dir nicht geoffenbart, sondern mein Vater im Himmel.’“

36     Irenäus, Gegen die Irrlehrer, Buch 1, Kap. 21,1; Tertullian, Über die Taufe, Kap. 1.

37     Ist sonst für Mk immer die hebraisierende Verbindung relativ einfacher Sätze mit „und“ typisch, so häufen sich auffällig ab 16,9 klassisch-griechische Partizipial- und Infinitivsätze.

38     Siehe Evang.-freikirchl. Gemeinde Berlin-Hohenstaufenstr. (Hg.), Der Markusschluß: Gehört Markus 16,9-20 zum ursprünglichen Bibeltext? Eine Dokumentation, S. 9-11. Als PDF im Internet verfügbar unter http://www.efg-hohenstaufenstr.de/downloads/bibel/bk_markusschluss.pdf (trotz zahlreicher anderer Argumente, die dort ausführlich diskutiert werden, neigen die Herausgeber allerdings zu der Ansicht, daß die betreffenden Verse zum kanonischen Text des Markus-Evangeliums gehören).

39     Vgl. Don Carson, Stolpersteine der Schriftauslegung (Oerlinghausen: Betanien, 2007), S. 41.

40     Ob eine Bibelübersetzung gut oder schlecht ist, entscheidet sich vielmehr daran, wie zuverlässig sie den Grundtext wiedergibt.