125 Jahre Posaunenchor Hagedorn, 1879 – das Gründungsjahr
In
der Festschrift des Evangelischen Männer- und Jünglingsvereins und
Posaunenchores Hagedorn zum 50-jährigen
Jubiläum im Jahre 1929 berichtet Pastor Höpker als Superintendent im
Ruhestand in seinem Schreiben zur Jubiläumsfeier darüber, wie sich die Gründung
des Posaunenchores in der Gemeindegeschichte entwickelt hat. Diese Erinnerung,
geschrieben wie eine Geschichte, ist sehr gut geeignet, uns heute in die
damalige Zeit zu versetzen, um mitzuerleben, wie es zu unserem Posaunenchor
Hagedorn gekommen ist:
„Jahrhundertelang,
vielleicht bald nach Einzug der Reformation in unsere minden-ravensbergischen
Gemeinden, haben die beiden Kapellgemeinden von Kirchlengern, Häver und
Quernheim, in ihren durch namhafte Stiftungen und Verpflichtungen errichteten
und unterhaltenen Kapellen und Kapellendiensten eine kirchliche Versorgung
erhalten, die in monatlichen Wochengottesdiensten besonders den Alten und
Gebrechlichen daselbst bei ihrer Entfernung von einer Stunde Weges von der
Mutterkirche in Kirchlengern einen gewissen Ersatz für die Entbehrung der
dortigen sonntäglichen Gottesdienste schaffen konnte.
Ja, einmal im Jahre, in
Quernheim am 1. Sonntag, in Häver am 18. Sonntag nach Trinitatis, wurde sogar
der ganze Sonntagsgottesdienst aus der für diesen Tag geschlossenen Kirche in
die Kapellen verlegt, und wurden diese Tage unter dem Namen Jahresfeier für die
Kapellgemeinden zu freudigen Kirchweihtagen.
Während aber in Häver
diese Jahresfeier eine rein kirchliche und hinterher traulich familienhafte Art
an sich trug und bewahrte, hatte sich im Unterschied davon in Quernheim mit der
kirchlichen Feier bald eine zeitgemäße bunte und laute Kirchmeß verbunden,
die mehr und mehr durch Errichtung von Kauf- und Spielbuden, von Karussells und
Schießständen, von Trink- und Tanzzelten die Weise von ausgesprochenen Jahrmärkten
mit allen ihren Zerstreuungen und Vergnügungen, mit ihren Unsitten und ihrem
Unfug am heiligen Sonntage angenommen hatte.
Mehr als einmal hatte
sich das christliche Gemeindegewissen gegen diese Entartung der Jahresfeier
geregt und aufgebäumt. Ernstgerichtete Gemeindeglieder hatten sich mit Eingaben
an die Behörden um Abstellung oder Einschränkung des Jahrmarktes gewendet;
doch hatten sie entweder keine Beachtung oder sogar geradezu eine schlichte
Abweisung gefunden.
Da griff Gott selbst mit
seiner aufgehobenen Gotteshand ein. „Bläset man auch die Posaune in einer
Stadt, daß sich das Volk davor nicht entsetze? Ist auch ein Unglück in der
Stadt, das er Herr nicht tue?“ Amos 3, 6. Am Abend eines solchen ausgefallenen
Kirmeßtages oder anderen Morgens früh fand man auf oder vor dem Kapellenhofe
die Leiche eines Mannes, der dort aus dem Trinkzelte heraus in sinnloser
Trunkenheit sein klägliches Ende geholt und gefunden hatte. (Ein Einheimischer
ist es nicht gewesen. Das Sterberegister von Stift Quernheim gibt darüber
Auskunft.) Eine tiefe innere Bewegung ging durch die Herzen der Quernheimer
hindurch, die sich darin zu einer wirksamen Tat umsetzte, daß man den damaligen
Gemeindepfarrer bat, ob er nicht bei der nächsten Jahresfeier als Gegenmittel
gegen das ungöttliche Jahrmarktstreiben am Nachmittag in der Kapelle eine
Missionsstunde ansetzen wollte für diejenigen, die etwas Besseres begehrten.
Mit Freuden wurde die Anregung aufgenommen, und siehe, die Kapelle konnte die
Zahl der erschienen Gäste nicht fassen; eine ganze Schar mußte draußen vor
der Tür verharren und lauschen.
Da war es, daß der
Kolon Weitkamp für das nächste Jahr seinen der Kapelle nahe gelegenen und der
Jahrmarktsstraße abgelegenen baumreichen Hof zu einem eigentlichen Missionsfest
mit heranzuziehenden fremden Festpredigern anbot und zur Verfügung stellte.
Ganz unerwartet war der Zustrom aus der eigenen und aus den Nachbargemeinden, so
daß sich die Wiederholung für die weitere Zukunft wie von selbst ergab.
Keine Anmerkung in der
Gemeindechronik gibt urkundliche Auskunft über dies erste Missionsfest auf
Weitkamps Hofe. Selbst die Namen der Festprediger aus den ersten Jahren sind mit
ihren Trägern zu Grabe gegangen, ohne daß man rechtzeitig an eine Aufzeichnung
für die kommenden Jahre gedacht hätte.
Und doch hatten gerade
die ersten Jahre dieses Missionsfestes eine geradezu einzigartige, wunderbare
Umwandlung zuwege gebracht. In dem selben Maße, in dem das Missionsfest sich
einbürgerte und wuchs, nahm der Jahrmarkt ab und starb dahin, so ganz von
selbst, ohne irgendwelche behördliche Maßregeln, Verbote oder Einschränkungen,
ohne alle fleischliche und hetzerische Machenschaften dagegen.
Nach 6 Jahren, 1875,
fanden sich von all den früheren Aufbauten nur noch 2 oder 3 harmlose
Kuchentische vor, und als es immer mehr Brauch wurde, daß alle Häuser, groß
und klein, sich auswärtige Gäste zum Kaffeetisch luden, schwanden bald auch
diese letzten Reste der alten Kirmeß hin. Das Missionsfest aber feiert heute
sein 50jähriges Jubelfest auf ein- und demselben Hofe alle die Jahre hindurch.
„Im Geist habt ihr
angefangen“ – dies Pauluswort an seine Galater von ehemals gilt heute noch
den lieben Quernheimern, in ihren Vorfahren vor 50 Jhren.
Eine Heimkehr nach
abgeschlossenem Feste, unter der Begrüßung der überall vor den Haustüren
ihre Gäste verabschiedenden Hausbewohner, unter den langsam verhallenden Klängen
der nach allen Himmelsrichtungen abziehenden Vereine, unter dem Gewoge des der
Reise entgegengehenden Erntsegens auf den
Fluren rechts und links und unter den Tönen der Abendbetglocken, läßt einen
gern mit einstimmen in den Lobpreis einer greisen Festbesucherin:
„Ach
denk ich, bist du hier so schön
Und
läßt du’s uns so lieblich gehn
Auf
dieser armen Erden:
Was will doch wohl nach dieser Welt
Dort
in dem reichen Himmelszelt
Und
güldnem Schlosse werden!“
Nicht immer freilich
verliefen in diesen 50 Jahren die Feiern so gleichmäßig lieblich und
stimmungsvoll ausklingend, wie es uns wohl zumeist gegeben wurde. Ein oder
andermal hat man zwar das tägliche Brot im Hause, aber die gewohnten
Rauchschwalben auf der Deele bleiben diesmal aus oder die Nachtigall im Busche
– dann fehlt doch etwas, wo hinein man sich nicht finden kann. So war es vor
40 Jahren. Das Jahresfest war da und nachmittags das Missionsfest. Festwetter
war da. Festprediger waren auch da wie die Festbesucher. Nur
eins fehlte, die Bläser. Die treuen Alsweder Freunde, die vom 1.
Quernheimer Feste an jahraus, jahrein über den Berg herübergekommen waren,
wurden diesmal verhindert. Die Hüllhorster Nachbarn ebenfalls. Von Mennighüffen
waren nur 3 oder 4 Mann erschienen. Das war kein treuloses Instichlassen der
Freunde, aber eine arge Verlegenheit, wie auf der Hochzeit zu Kana: „Sie haben
nicht Wein“; so hier: „Die Bläser fehlen.“ Und damit fehlte etwas, ohne
das man nun einmal ein Missionsfest sich nicht denken kann.
Jedoch
der Menschen Verlegenheiten sind Gottes Gelegenheiten.
Nach dem Feste kamen liebe Quernheimer Männer zu ihrem Pastor mit der
Vorstellung: Ist es jetzt nicht an der Zeit und ein Zeichen, daß wir uns auf
eigene Füße stellen und selbst einen Verein bilden sollen? Und bald waren 8
bis 10 zuverlässige Leute zusammen; bald auch waren die zugehörigen
Instrumente mit treuer Freunde Beihilfe beschafft. Die wöchentlichen Übungsstunden
bei Meister Knolle in der Lusmühle
bei Hüllhorst wurden trotz Wind und Wetter pünktlich besucht; Tag für Tag
wurde eifrig geübt. Und das nächste Jahr waren alle die Nachbarvereine wieder
da, und der neue Quernheimer Verein war dazu getreten; und seitdem gebrach es
nie wieder an Posaunenschall und Hörnerklang auf unserem Quernheimer Feste.
Aber wohl gesellte sich bald zu dem Quernheimer Verein der Kirchlengersche und
zu diesen beiden die oberen Stimmen des Kirchlengerschen und dann des Hagedorner
Jungfrauenvereins, so daß nun die Lieder gesungen wurden und erklingen konnten
„im höheren Chor“. Das nahm seinen Anfang vor 40 Jahren. Der Menschen
Verlegenheiten sind Gottes Gelegenheiten.“
Nachdem
also vor 125 Jahren, nach dem 10. Missionsfest im Jahre 1879 auf Weitkamps Hofe,
sich aus der Verlegenheit heraus unser Posaunenchor
gebildet hatte, hat Wilhelm Weitkamp zu Quernheim 27 am 7. November 1880
die ersten Hörner vom Bahnhof Kirchlengern geholt. Pastor Höpker hat sie am
folgenden Sonntag in der Kapelle zu Quernheim nach feierlicher Weihe zu
gottesdienstlichem Gebrauch übergeben.